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Wasserstoff: Elementarer Baustein zur Dekarbonisierung der Chemieindustrie

Donauchem
Wasserstoff ist ein sehr vielseitig einsetzbarer Energieträger und gilt speziell hinsichtlich der Dekarbonisierung der Industrie als Hoffnungsträger.
Als Teil der produzierenden Industrie beschäftigt sich die Donauchem mit dem Thema und beleuchtet, welche Voraussetzungen geschaffen sein müssen, um mittels erneuerbarer Energien die Produktion von grünem Wasserstoff voranzutreiben.

Weltweit werden pro Jahr über 600 Milliarden Kubikmeter Wasserstoff verbraucht, davon 99 Prozent in der Industrie. Mit der EU-Wasserstoffstrategie soll zukünftig klimaneutraler Wasserstoff einen prominenten Platz in der europäischen Energie- und Klimapolitik einnehmen. Wo die Potenziale und Herausforderungen einer Wasserstoffwirtschaft liegen, hier in einem kurzen Überblick. 
 
„Ich bin davon überzeugt, meine Freunde, dass das Wasser dereinst als Brennstoff Verwendung findet. Das Wasser ist die Kohle der Zukunft.“
Jules Verne, 1874
 

Die EU-Wasserstoffstrategie für ein klimaneutrales Europa

Mit dem Green Deal hat sich Europa das Ziel gesetzt, die Treibhausgasemissionen bis 2030 um 55 % gegenüber dem Niveau von 1990 zu reduzieren. Bis 2050 soll der Energieverbrauch der EU zu einem großen Teil durch Stromerzeugung aus erneuerbaren Energiequellen gedeckt werden. 2020 wurden jedoch in der EU-27 gerade einmal rund 22 % des Brutto­endenergieverbrauchs aus erneuerbaren Energien gedeckt. 

Um diese Lücke zu schließen, soll im Rahmen der EU-Wasserstoffstrategie klimaneutraler Wasserstoff durch Anreize wettbewerbsfähig gemacht werden. Mit der Wasserstoff-Technologie könnten bis 2050 pro Jahr etwa 560 Millionen Tonnen CO2 eingespart werden (Quelle: Bericht EU-Parlament).

Grüner Wasserstoff soll bevorzugt in jenen Bereichen genutzt werden, in denen er fossile Brennstoffe ersetzen kann – sei es bei der Erzeugung von Wasserstoff selbst oder zur Dekarbonisierung von nicht elektrifizierbaren Prozessen. Übergangsmäßig soll auch blauer und türkiser Wasserstoff zum Einsatz kommen. Der Fokus der Strategie liegt vor allem auf den Bereichen Industrie und Mobilität, der Wärmesektor spielt eine untergeordnete Rolle. 
 

Was macht Wasserstoff so interessant?

Wasserstoff (H2) ist das häufigste Element in unserem Universum und als chemisches Element in nahezu allen organischen Verbindungen in gebundener Form vorhanden. Er ist vierzehn mal leichter als Luft, ungiftig, umweltneutral, sehr flüchtig, entzündet sich nicht selbst und verbrennt mit farbloser Flamme rückstandsfrei.

Vor allem folgende Eigenschaften machen die Nutzung von Wasserstoff interessant:                        
  • Wasserstoff speichert Energie und gibt diese wieder frei, ohne dabei CO2 auszustoßen.
  • Die im Wasserstoff gespeicherte chemische Energie kann mit Brennstoffzellen in elektrische Energie zurückverwandelt werden.
  • Wasserstoff lässt sich lagern oder mithilfe von Pipelines und Schiffen auch über große Entfernungen transportieren.
  • Wasserstoff kann als effizienter Langzeitspeicher für erneuerbare Energie dienen. 
  • Bei der Verbrennung von Wasserstoff entsteht kein umweltverschmutzendes Abgas, sondern lediglich Wasser.
 
 

Wie wird Wasserstoff hergestellt?

Um Wasserstoff als Energieträger nutzbar zu machen, muss er durch verschiedene Verfahren abgespalten werden. Je nachdem, wieviel CO2 im Herstellungsprozess entsteht bzw. wie dieses weiterverarbeitet wird, spricht man von grauem, blauem, türkisem oder grünem Wasserstoff. 
 

1. Grüner Wasserstoff: Elektrolyseverfahren  

Die elektrolytische Erzeugung von Wasserstoff ist verfahrenstechnisch das einfachste und in Hinblick auf die eingesetzte elektrische Energie ein sehr effizientes Verfahren. Wird der benötigte Strom aus erneuerbaren Quellen bezogen, spricht man von grünem Wasserstoff.  Weitere Möglichkeiten, CO2-neutralen Wasserstoff herzustellen, sind die Vergasung und Vergärung von Biomasse sowie die Reformierung von Biogas.
 

2. Grauer und blauer Wasserstoff: Reformierungsverfahren  

Im industriellen Maßstab wird Wasserstoff vorwiegend auf der Basis von fossilen Energieträgern gewonnen, vor allem aus Erdgas durch Zugabe von Wasserdampf (Dampfreformierung). Bei diesem Verfahren entsteht neben „grauem“ Wasserstoff CO2 als Nebenprodukt. Wird das CO2 direkt im Produktionsprozess abgefangen und unterirdisch gelagert (Carbon Capture and Storage, CCS) oder als Rohstoff weiterverarbeitet (Carbon Capture and Utilization, CCU), spricht man von blauem Wasserstoff. Solange das abgeschiedene CO2 nicht in die Atmosphäre gelangt, gilt dieser ebenfalls als klimaneutral. 
 

3. Türkiser Wasserstoff: Methanpyrolyse 

Bei der Methanpyrolyse wird Erdgas, zum Beispiel Methan (CH4), unter Zugabe von Hitze gespalten. Dabei entsteht Wasserstoff und fester Kohlenstoff. Werden für die Energieversorgung des Hochtemperaturreaktors ausschließlich erneuerbare Energien genutzt, spricht man von türkisem Wasserstoff. Um als CO2-neutral zu gelten, muss der entstandene Kohlenstoff langfristig gebunden sein, zum Beispiel in der Bau- und Werkstoffindustrie oder im Straßenbau.
 
 
Erneuerbare Energie wird für die Wasser-Elektrolyse genutzt, um Wasser (H2O) mittels Strom in Wasserstoff (H2) und Sauerstoff (O2) aufzuspalten. Der hierbei gewonnene Wasserstoff kann  direkt genutzt oder gespeichert werden. © Die Rolle von Gas im zukünftigen Energieträgermix, E-Control 
 

Power-to-Gas: Wasserstoff als flexibler Speicher für Erneuerbare Energien

Der grundlegende Vorteil von Wasserstoff besteht darin, die Nachteile erneuerbarer Energie gegenüber fossilen Energieträgern auszugleichen. Denn diese weisen Eigenschaften auf, die es aktuell noch nicht möglich machen, zur Gänze auf fossile Energiestoffe zu verzichten. Dazu gehören insbesondere folgende Aspekte:
  • Wetterabhängigkeit der Erzeugung
  • Umweltschutzproblematiken (z.B. Wasserkraftwerke)
  • Effektivität und Amortisierung
  • Mangelnde Grundlast- und Lastspitzenabdeckung
  • Fehlende Möglichkeiten zur Energiespeicherung

 
 
Wasserstoff bietet in diesem Zusammenhang die Möglichkeit, mit Hilfe der Power-to-Gas Technologie (PtG) erneuerbare Energien über das Erdgasnetz an Verbraucher und Gasspeicher zu liefern. In einem zusätzlichen Prozessschritt lassen sich weitere Energieträger herstellen. 
 

Der Prozess besteht aus drei Phasen:

  • Erzeugung: Mit Wind- und Solar-Anlagen wird erneuerbarer Strom produziert.
  • Elektrolyse: In der Anlage wird überschüssiger Strom durch Elektrolyse in Gas verwandelt und in der vorhandenen Erdgasinfrastruktur gespeichert. Das Gas kann dann nach Bedarf transportiert und wiederverwendet werden, z.B. für Industrieprozesse, Wärme- oder Antriebsenergie.
  • Synthese: In einem weiteren Schritt ist auch die Umwandlung des Wasserstoffes in Methan, Methanol, Kraftstoff (Benzin, Diesel, Kerosin) oder Ammoniak möglich. Dadurch gelingt es, Ökostrom auch in der See- und Luftfahrt nutzbar zu machen und unabhängig von Erdöl oder Erdgas zu werden. 
Um Wasserstoff kurzfristig als Energieträger verfügbar zu machen, bieten sich neben dem Gasnetz auch unterirdische Speicher oder neue Technologien an, die Wasserstoff in Öl speichern (LOHC-Technologie). 
 
  
Öko-Institut, Power-to-X. Überblick Ausgangsstoffe, Prozesse und PtX-Produkte, CC BY-SA 2.0
 

Power-to-Gas eröffnet Optionen für integrierte Energiesysteme

Power-to-Gas ermöglicht nicht nur den Ersatz fossiler Energieträger, sondern sorgt auch für eine stabile Energieversorgung durch Vergleichmäßigung der fluktuierenden Erneuerbaren. Mittelfristig könnte das Verfahren erheblich dazu beitragen, das Problem der Zwischenspeicherung von erneuerbarem Strom wirtschaftlich zu lösen. Damit eröffnen sich viele Optionen für integrierte Energiesysteme und die Kopplung der Sektoren Strom, Wärme und Mobilität.


»Umwandlungstechniken - Welche was erledigen soll« Abbildung: Bartz/Stockmar, CC-BY 4.0
 

Wasserstoff in der Industrie

Für stoffliche Anwendungen in der chemischen Industrie wird fast ausschließlich grauer Wasserstoff eingesetzt, etwa zur Herstellung von Stickstoffdünger, zur Raffinierung von Mineralöl oder bei der Herstellung von synthetischen Kraftstoffen. Das Problem: Bei der Herstellung fallen rund 10 Tonnen CO2 pro erzeugter Tonne Wasserstoff an. Durch den Einsatz von grünem Wasserstoff lässt sich in diesem Bereich viel CO2 einsparen.

Wasserstoff hat auch dort großes Potenzial, wo er fossile Brennstoffe ersetzen kann. Dies gilt vor allem für Industrieprozesse, die sich nicht oder nur unter unverhältnismäßig hohen Kosten elektrifizieren lassen, zum Beispiel die Stahlerzeugung oder die Ammoniakproduktion. Derzeit werden dafür meist Erdgas oder Kohle eingesetzt, in Zukunft könnten diese Prozesse zunehmend auf Wasserstoff umgestellt werden.  

Ein weiteres Einsatzgebiet bietet sich für Wasserstoff, der als Nebenprodukt chemischer Prozesse anfällt und im Sinne einer unternehmensinternen Kreislaufwirtschaft nutzbar gemacht wird. Die neue Salzsäuresynthese-Anlage der Donau Chemie AG im Werk Brückl setzt zum Beispiel eine Technologie ein, die Abgase aus verunreinigten Wasserstoff in hochreinen Wasserstoff umwandelt. Dieser Wasserstoff wird dann als Brennstoff zur Dampferzeugung verwendet und dadurch thermisch verwertet. Die jährliche Einsparung von Heizöl beläuft sich auf 1.300 Tonnen, gleichzeitig sinkt der CO2-Ausstoß um 4.600 Tonnen pro Jahr.
 
 
Verunreinigter Wasserstoff wird nach der Umwandlung in hochreinen Wasserstoff dem Wärmekreislauf zugeführt. © Donau Chemie AG 
 

Wasserstoff in der Wärmeversorgung

Der Einsatz erneuerbarer und dekarbonisierter Gase ermöglicht in allen Sektoren des Wärmemarktes, Treibhausgasemissionen zu senken – vom Hochofen bis zum Heizkessel. In Pilotprojekten wird bereits die Beimischung von bis zu 30 % Wasserstoff in Erdgasnetze erforscht. Bei stationären Brennstoffzellen steht mit Erdgas ein Energieträger zur Verfügung, der fast in jedes Haus reicht. 
 

Wasserstoff im Mobilitätssektor

Im Mobilitätssektor bietet grüner Wasserstoff eine Alternative in Bereichen, wo eine Elektrifizierung nicht möglich oder sinnvoll ist. So wäre zum Beispiel im Schwerlastverkehr der Stromverbrauch enorm hoch, um die erforderlichen Reichweiten zu erzielen. Mit der Stromerzeugung in Wasserstoff-Brennstoffzellen lassen sich diese Probleme hingegen umgehen. Zusätzlich kann aus Wasserstoff erzeugter Kraftstoff in Fahrzeugen, Schiffen und Flugzeugen klimaschonend eingesetzt werden. Erste Projekte gibt es auch schon für die Verwendung von Wasserstoff bei Zügen.
 
 
K. Müller, Schema Energiespeicherung über chemische H2-Speicherung, CC BY-SA 3.0 DE
 

Welche Herausforderungen warten auf dem Weg zur Wasserstoffwirtschaft?

Das Hauptproblem sind derzeit die Verfügbarkeit erneuerbaren Energien und die noch relativ hohen Erzeugungskosten von Wasserstoff. 
 

1. Ausbau Erneuerbarer Energien

Die grundlegende Voraussetzung für eine erfolgreiche Umsetzung der Wasserstoffstrategie ist der konsequente Ausbau erneuerbarer Energien. Um dieses Ziel zu erreichen, wird derzeit an der Novellierung der Erneuerbare-Energien-Richtlinie (RED II) im Rahmen des „Fit for 55“-Pakets gearbeitet. Ziel der Richtlinienüberarbeitung ist es, Investitionen in bestehende oder neue Technologien für erneuerbare Energien zu fördern. Gleichzeitig ist die Anhebung des Gesamtziels für erneuerbare Energien von 32 % auf 40 % bis 2030 vorgesehen. 
 

2. Erzeugungskosten für grünen Wasserstoff

Die Erzeugungskosten von Wasserstoff im Elektrolyseverfahren sind aktuell noch hoch. Man geht jedoch davon aus, dass bis 2030 durch Skaleneffekte und sinkende Energiepreise eine Kostenreduktion von 30 % erzielt werden kann. In Gebieten mit günstigem erneuerbaren Strom könnte grüner Wasserstoff dann bereits um 2030 wettbewerbsfähig sein. 
 

3. Aufbau einer Wasserstoffinfrastruktur

Für den Transport von Wasserstoff stehen verschiedene Optionen zur Verfügung. Neben dem leitungsgebundenen Transport kommen auch LKWs oder Schiffe in Betracht. Wasserstoff kann auch als Ammoniak transportiert werden. Die Präferenz seitens der EU liegt in einer schrittweisen Umwidmung von Erdgasnetzen zu Wasserstoffnetzen. Die Beimischung von Wasserstoff in den Gasstrom sieht die EU-Kommission hingegen kritisch, da es dadurch zu einer unerwünschten Fragmentierung des Binnenmarktes kommen könnte.  
 

4. Wirkungsgrad von Brennstoffzellen

Bei der Umwandlung von Wasserstoff in elektrische Energie geht Energie verloren. Aktuell liegt der Wirkungsgrad bei etwa 50 bis 60 Prozent. Wissenschaftler arbeiten bereits daran, den Wirkungsgrad, die Langlebigkeit und die Leistungsfähigkeit von Brennstoffzellen zu verbessern. In Zukunft wird erwartet, dass der Wirkungsgrad signifikant steigt. Derzeit wird der Einsatz von Wasserstoff im Zusammenhang mit Brennstoffzellensystemen in der portablen Stromversorgung für Elektrogeräte und Camping sowie die Anwendung in Kleinkraftwerken erforscht. 
 

5. Wasserstofftankstellen

Die breitenwirksame mobile Nutzung von Brennstoffzellen im Verkehr ist an den Aufbau eines Wasserstoff-Tankstellennetzes gebunden. Andernfalls wird sich die Technologie bei den Autobauern nur schwer durchsetzen. Umgekehrt ist zu befürchten, dass es kein Tankstellennetz geben wird, solange es keine serienreifen, erschschwinglichen Brennstoffzellenautos gibt. 
 

Fazit: Wasserstoff als Schlüsseltechnologie für die Energiewende

Für die Erreichung der Klimaziele ist ein Zusammenspiel aller verfügbaren Technologien erforderlich. Wasserstoff spielt diesbezüglich eine Schlüsselrolle. Er kann fossile Brennstoffe ersetzen, als Speicher für erneuerbare Energien dienen, Mobilität ermöglichen und die verschiedenen Energiesektoren koppeln. Um den wachsenden Bedarf an klimaneutralem Wasserstoff zu decken, ist eine Anschubfinanzierung und der Ausbau erneuerbarer Energien essentiell. Zusätzlich braucht es Anreize für den zeitnahen Rollout wie auch tragfähige wirtschaftliche Rahmenbedingungen.  

Donauchem GmbH
www.donauchem.at

Weiterführende Links/Quellen:
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