Beim letzten Urlaub am Meer war Felix begeistert, als er die hohen Wellen entdeckte.
Papa, schau – das sind coole Wellen, da will ich gleich hineinspringen. Aber was sind das für bunte Streusel dazwischen?
Das sind keine Zuckerstreusel, das sind Plastikteilchen.
Wo kommen die denn her?
Plastik in den Meeren, Flüssen und anderen Gewässern hat viele Quellen. Kunststoffmüll zum Beispiel, der anstatt in den Mülleimer irgendwo weggeworfen wird.
Wissen die Leute gar nicht, dass Plastik rechts hinein gehört?
Rechts?
Ja, so wie bei zu uns zuhause rechts Plastik, links Restmüll!
Plastikmüll ist nur ein Aspekt des Problems. Verlorene oder zurückgelassene Fischereiausrüstung, so genannte Geisternetze, stellen eine erhebliche Gefahr für Meerestiere aber auch für die Schifffahrt dar. Fische, Wale, Schildkröten, Vögel können sich darin genauso verheddern wie Schiffsschrauben.
Die armen Tiere!
Ca. 70 % bis 80 % des marinen Mülls kann als Plastik bezeichnet werden. Besonders problematisch ist Mikroplastik.
Was ist denn das schon wieder?
Es gibt noch keine festgelegte Definition. Üblicherweise wird Mikroplastik als feste, wasserunlösliche Kunststoffpartikel definiert, die kleiner als 5 Millimeter sind.
Wie klein ist das?
So wie die „Streusel“, die da zwischen den Wellen zu sehen sind. Fische oder Vögel verwechseln sie oft mit Nahrung und schlucken diese. Mit dem Fisch kommt das auch wieder auf unsere Teller.
Igitt, ich mag keinen Plastikfisch! Ist viel Plastik in den Fischen?
In unterschiedlichen Studien wurden in Fischen zwischen 1 und 14 Partikel pro Fisch gefunden. Diese befanden sich durchwegs im Verdauungstrakt und nicht im Muskelfleisch. Auch in Muscheln fand man ein bis ca. vier Partikel je Muschel. Nicht alles, was oft als Mikroplastik identifiziert wird, ist tatsächlich Plastik. Die verwendeten Nachweismethoden unterscheiden häufig nicht zwischen Teilchen aus Kunststoff und anderen Materialien wie Sand, Metall und Glas. Daher sehen manche Ergebnisse auch dramatischer aus, als sie es tatsächlich sind. Zudem sind viele Gebrauchsgegenstände auch im Labor aus Kunststoffen. Das kann dazu führen, dass so manches Plastikpartikel nicht aus dem Meer, sondern aus dem Probengefäß stammt.
Sekundäres Mikroplastik macht die Hauptmenge in den Meeren aus. Diese Partikel stammen von größeren Kunststoffteilen, die mechanisch oder durch andere Vorgänge zerkleinert wurden. Eine bedeutende Quelle ist unter anderem auch der Gummiabrieb der Autoreifen.
Daneben gibt es noch primäres Mikroplastik.
Was ist das?
Diese Partikel sind von Anfang an „mikro“. Pulver für verschiedene Anwendungen, Granulate für die Kunststofferzeugung oder auch Mikropartikel für Kosmetika.
Kosi-was?
Kosmetika wie Cremen, Shampoos, Duschbäder und Zahnpasten. Das Duschbad mit den kleinen bunten Kügelchen, das du einmal im Geschäft gesehen hast, zum Beispiel.
Das hat so cool ausgesehen, das wollte ich so gerne haben. Bleiben die kleinen Kügelchen nicht in der Kläranlage? Die Bakterien könnten damit spielen.
Das wären aber große Bälle für die Bakterien.
Bei einer klassischen Kläranlage werden die schwereren Feststoffe vom gereinigten Abwasser in den Nachklärbecken getrennt. Plastik ist generell eher leicht, oft leichter als Wasser. Solche Teilchen schwimmen daher an der Oberfläche.
So wie mein Plastikfisch, der geht auch nicht unter!
Daher ist davon auszugehen, dass Mikroplastik nicht vollständig von den Kläranlagen zurückgehalten wird. Untersuchte Kläranlagenabläufe enthielten keine bis über 400 Partikel in einem Liter; Zuläufe von wenigen einzelnen bis über 10.000 Partikel pro Liter. Am häufigsten fand man Polyester, Polyethylen, Polyethylenterephthalat und Polyamid, wobei Fasern den größten Anteil ausmachten.
Fasern?
Fasern von Kleidungsstücken zum Beispiel. Ein Fleece-Pulli kann schon einmal 1900 Fasern bei einem Waschgang verlieren.
Ich hab’s ja gewusst, die Waschmaschine ist ein Kleidungsfressermonster!
Im Durchschnitt kommen für jeden Einwohner 2,8 Partikel am Tag aus der Kläranlage, für eine 700.000-EW-Anlage sind das also zwei Millionen Plastikteilchen jeden Tag.
Verglichen mit dem Zulauf sieht man, dass die Kläranlagen also doch einen hohen Anteil des Mikroplastiks, 95 % oder mehr entfernen.
Was passiert mit den Plastikteilchen, die in der Kläranlage bleiben? Fressen die Bakterien diese auf?
Nein, Mikroplastik ist durchwegs schwer verdaulich. Bakterien könnten es als Aufwuchsflächen nutzen. Am Ende landet es im Klärschlamm. Bis zu 600.000 Partikel und Fasern je Kilogramm Trockensubstanz wurden in Klärschlämmen in Österreich gefunden.
Wie viel Mikroplastik ist jetzt wirklich in den Flüssen und Meeren?
Im Zuge einer Untersuchung des Umweltbundesamts in der Donau kommen jedes Jahr weniger als 14 Tonnen Mikroplastik nach Österreich und wir schicken weniger als 41 Tonnen weiter. Das klingt vielleicht nach großen Mengen. Rechnet man aber mit den Wassermengen der Donau bei Wien, so liegt die Konzentration der Mikroplastikpartikel bei 0,7 µg/l, das ist geringer als so manche Spurenstoffe. Der Eintrag aus den Kläranlagen beträgt dabei maximal 10 %, dank der guten Reinigungsleistung der Kläranlagen, die das schon jetzt ganz gut können – ohne zusätzliche Maßnahmen oder teure Zusätze. Die Fällungsmittel leisten da sicher auch einen gewissen Beitrag, indem sie zu einer guten Flockenbildung beitragen, in die dann die Plastikpartikel eingebunden werden. Eine vierte Reinigungsstufe würde zusätzliche Partikel herausholen, da die weitergehende Reinigung oft einen Filter (Sandfilter, andere Filter, Aktivkohle) benötigt. Da könnte man zwei Fliegen mit einer Klappe erschlagen. Aber wie gesagt, Kläranlagen sind nicht die wesentliche Quelle für Mikroplastik, die machen schon jetzt einen guten Job.
Man schätzt die Gesamtmenge an Kunststoffen in den Weltmeeren auf 5 bis 50 Billionen Teilchen, die größer als 280 µm sind, wobei man die Proben normalerweise mit Schleppnetzen erfasst und damit die oberen 10 bis 15 m der Meere.
Plastik ist Teil unseres Lebens. Die Kunststoffe sind vielfältig und haben Vorteile, auf die wir kaum verzichten können. Daher müssen wir Wege finden, damit verantwortungsvoll umzugehen. Das bietet noch viele Möglichkeiten zu forschen.
Es gibt übrigens auch von Bakterien produzierte Kunststoffe.
Auch von den Bakterien in der Kläranlage?
Ja, tatsächlich auch die Kläranlagenbakterien produzieren polymere Substanzen. Es gibt sogar Überlegungen, ganz gezielt technisch verwertbare Kunststoffe, so genannte PHA (Polyhydroxyalkanoate), das sind Polyester, herzustellen. Aus dem Abwasser könnten die nötigen Rohstoffe gewonnen werden und die Mikroorganismen produzieren und speichern die PHA.
Das ist aber cool!
Mit nur einem Haken: der Prozess ist noch zu teuer und nicht konkurrenzfähig. So aber jetzt springen wir in die Wellen…
Papa – deine Haare sehen jetzt aus wie Streuselkuchen. Warte, ich hole schnell meinen kleinen Kübel und schon sind 20 Mikroplastikteilchen weniger im Meer!
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Titelbild erstellt mit Unterstützung von ChatGPT (KI-generiert).